Heute Morgen ist vor der Abfahrt noch einiges zu tun, so dass wir um 11:45 Uhr zuhause starten können. Das Wetter ist herrlich: Die Sonne scheint vom blauen Himmel, also beste Voraussetzungen für unsere Radreise. Im Ruhrgebiet ist ziemlich viel Verkehr, aber wir kommen ohne Stau durch.
Um 16.45 Uhr fahren wir durch die sehr versteckt liegende Toreinfahrt auf den Parkplatz des Parkhotels in Roeselare. Die Einfahrt, zwischen den Terrassen der Cafés, haben wir erst nicht gefunden und waren schon fast mit dem Auto in der Fußgängerzone.
An der Rezeption erhalten wir unsere Reiseunterlagen von der belgischen Partnerorganisation von Radweg-Reisen, ein Tourenbuch und eine Fahrradkarte extra für diese Tour gedruckt. Wir stellen unsere Räder in der dafür vorgesehenen Garage unter und bringen unser Gepäck aufs Zimmer. Danach gehen wir ein wenig durch die Stadt, die einen hübschen Marktplatz hat. Zurück im Hotel schmökere ich noch in den Unterlagen und im Reiseführer, weil ich neugierig bin, was uns erwartet.
Wir starten heute Morgen nach einem sehr reichhaltigen und abwechslungsreichen Frühstück im Hotel mit unserer Radtour „Radurlaub in Flandern“. Die Sonne strahlt vom Himmel. Es geht erst durch die Vororte bzw. die Wohngebiete am Stadtrand von Roeselare. Wir fahren nach dem genialen Knooppunten-System, das wir schon in den Niederlanden schätzen gelernt haben, durch die gewellte flämische Landschaft. Der Weg verläuft zum Teil auf einer ehemaligen Bahntrasse. Es ist wunderschön und sehr ruhig, weil heute Sonntag ist. Die Vögel zwitschern, wir hören Hähne krähen, die Blätter rauschen im Wind und es duftet, meistens nach Frühling, aber auch mal nach ‚frischer Landluft‘.
Jetzt sitzen wir auf dem Tyne Cot War Cemetery, blicken über die weißen Grabsteine für die 12.000 gefallenen britischen, kanadischen, australischen, neuseeländischen und vier deutschen Soldaten, vorbei am Kreuz auf die Türme von Ypern. Ein sehr beeindruckender und berührender Ort, der die Sinnlosigkeit von Krieg spüren lässt.
Durch den Meenenpoort fahren wir nach Ypern hinein. Kaum durchgefahren, stehen wir auch schon auf dem Grote Markt mit Lakenhal und Belfried. Ein wunderschöner Platz mit beeindruckender flämischer Baukunst. Wir machen uns bewusst, dass es sich um – großartige – Rekonstruktionen handelt, da Ypern im 1. Weltkrieg total zerstört wurde. Churchill wollte die Ruinen als Mahnmal stehen lassen, aber die Bürger und Bürgerinnen der Stadt setzten sich zum Glück mit ihrem Wunsch nach einem originalgetreuen Wiederaufbau durch.
Da wir erst um 15 Uhr im Hotel einchecken können, besuchen wir das ‚In Flanderns Fields Museum‘ in der Lakenhal, das uns den 1. Weltkrieg aus unterschiedlichen Perspektiven nahe bringt. Ein Besuch ist unbedingt empfehlenswert! Wir steigen die 231 Stufen auf den Belfried hinauf. Von dort oben kann man schön über die Stadt blicken und am Horizont sehen Tyne Cot, genauso wie wir von dort aus die Türme von Ypern gesehen haben.
Wir checken im Hotel O ein und bekommen ein Zimmer mit toller Aussicht auf Marktplatz und Lakenhal. Großartig! Um 20 Uhr sind wir beim ‚Last Post‘, dem Zapfenstreich der britischen Armee am Meenenpoort, der seit 1928 an jedem Abend im Gedenken an alle Soldaten des Commonwealth, die während des 1. Weltkriegs im Ypern-Bogen gefallen sind, geblasen wird. Es sind erstaunlich viele Menschen dort. Nach der Zeremonie gehen wir ein Stück auf dem Wall, durch die Gassen, an der Jakobuskirche vorbei und über den Markt bis zur Martinskerk. Immer sind wir uns bewusst, dass hier alles gerade mal 100 Jahre alt ist.
Jetzt sitzen wir noch auf dem Markt bei einem Bier und einem Aperol Spritz. Es ist ein richtig schöner, lauer Frühsommerabend.
Nach einem guten Frühstück starten wir um 9:45 Uhr auf die heutige Tagesetappe. Heute ist es bewölkt und aus Westen bläst ein kräftiger Wind.
Wir fahren durch die flandrische Landschaft mit Blick auf den Kemmelberg und die umliegenden Hügel der flämischen Ardennen. Wir kommen nicht sehr schnell voran, weil uns der Wind von vorne entgegenpustet. Zwischendurch müssen wir mehrmals Treckern Platz machen. Auf dem Weg nach Poperinge radeln wir durch Hopfengärten.
Danach kommen wir an der Trappistenabtei St. Sixtus vorbei. In die Abtei kommt man nicht hinein, aber nebenan gibt es eine Kneipe ‚De Vrede‘, in der man das von den Trappisten gebraute Bier trinken (und kaufen) und Brot mit Abteikäse essen könnte.
Wir fahren weiter an der Ijzer entlang bis nach Diksmuide. Bevor es in die Stadt geht, kommen wir am Ijzertoren vorbei, der schon von Weitem zu sehen ist.
Auch Diksmuide wurde im 1. Weltkrieg in Schutt und Asche gelegt und nach dem Ende des Krieges im altflämischen Stil wieder aufgebaut.
Um 14.10 Uhr erreichen wir das B&B ‚Het Witte Huis‘ direkt am Marktplatz. Wir sind im Neubau auf der Rückseite hinter dem Garten in einem sehr schönen Zimmer mit Ausblick auf die Rückseite des historischen Hauses untergebracht.
Nach einer kurzen Pause setzen wir uns in ein Café auf dem Marktplatz, trinken einen Cappuccino und essen ein Eis mit frischen Erdbeeren mit Blick auf Rathaus und Belfried. Es ist noch windig, aber die Wolken sind bis auf ein paar Schönwetterwolken verschwunden, so dass die Sonne von einem, wie frisch gewaschenen, blauen Himmel strahlt.
Der Tag begrüßt uns wieder mit strahlendem Sonnenschein. Von unserem Fenster fällt der Blick auf die Turmhelme des Belfrieds und der St. Niklaaskerk, die über die Häuser lugen.
Wir starten in den Tag mit dem liebevoll angerichteten, reichhaltigen Frühstück mit Blick auf den Grote Markt. Ich freue mich sehr über das frische Obst.
Bevor wir uns auf den Weg machen, halten wir an einem Fahrradgeschäft, um eine Luftpumpe zu kaufen. Gestern ist uns aufgefallen, dass wir keine Pumpe mithaben, was im Notfall, falls wir mal flicken müssten, ziemlich blöd wäre. Mit ca. 60 Kilometern liegt heute die längste Etappe vor uns. Um 9.40 Uhr fahren wir los und verlassen das hübsche Städtchen Diksmuide. Zunächst geht es wieder an der Ijzer entlang. Nach ca. 2 Kilometern kommen wir zum sog. Dodengang direkt an der Ijzer. Dort sieht man noch einen Schützengraben der Belgier, der sich an der Ijzer entlang zieht, der einzige – allerdings nicht original - erhaltene Schützengraben des 1. Weltkriegs. Man kann den Schützengraben besichtigen, aber da er noch nicht geöffnet ist, belassen wir es bei einem Eindruck von außen.
Mehr erfahren Weniger anzeigenDie Wege führen uns vorbei an kleinen Dörfern, verlaufen neben Kanälen und Bächen, zwischen Kopfweiden, Pappeln und Eichen hindurch. Eine schöne Streckenführung.
Auf der Hälfte des Weges machen wir Pause an der Abtei Ten Putte. Dort wird die Heilige Goedelieve verehrt. Es amüsiert uns, dass es hier einen Kerzenautomaten gibt, an dem man geweihte Kerzen ziehen kann. Wir schauen uns das hübsche Ensemble an und machen unter den Bäumen eine Picknickpause.
Weiter geht es auf den kleinen Wegen durch die Polderlandschaft. Der Weg verläuft, das letzte Stück bis Brügge, neben dem Kanal Gent-Brügge-Ostende. Um 15.40 Uhr erreichen wir das Velotel am Stadtrand von Brügge, in dem wir bis Freitag bleiben. Nach einer Pause gehen wir zum Abendessen ins hoteleigene Restaurant. Zum Abschluss bestellt sich mein Mann einen Espresso. Was er bekommt, ist eher ein kleines Dessert. Wunderhübsch angerichtet findet sich neben dem Espresso ein kleines Milchkännchen, ein Minimuffin, ein Karamellbonbon und ein Eierlikörchen.
Frisch gestärkt radeln wir in die Innenstadt. Als wir auf dem Grote Markt ankommen, erstrahlt der Belfried gerade im milden Licht der Abendsonne. Ein wunderschönes Bild! Auf dem Platz und in den umliegenden Cafés herrscht noch reges Treiben. Wir spazieren durch die Gassen zum Rozenhoedkai, wo gerade die Schwäne vorbeischwimmen. Wir genießen den schönen Abend auf den mittelalterlichen Straßen und Plätzen Brügges.
Auch heute gibt es ein tolles, reichhaltiges und vielfältiges Frühstück. Für heute und morgen sind von Radweg-Reisen zwei Ausflüge von Brügge aus vorgeschlagen. Wir machen heute den für morgen vorgeschlagenen Ausflug an die Küste nach De Haan. Um 10.15 Uhr sitzen wir gut gestärkt auf unseren Rädern. Zunächst führt uns unser Weg an einem Kanal entlang. Ein Stück abseits vom Kanal kommen wir an der ehemaligen Zisterzienserabtei Ter Doest vorbei. Beeindruckend ist die imposante Zehntscheune aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, aus Backsteinen gemauert, im Inneren 16 Meter hoch und unterteilt mit alten Eichenbalken.
Weiter geht es nach Lissewege. Auch hier von weitem zu sehen der wuchtige Kirchturm der gotischen Kirche. Die Polderhäuschen dieses Ortes am Jakobsweg sind weiß gestrichen. Anschließend fahren wir auf die Küste zu, streifen Blankenberge und fahren durch den Uitkerkse Polder, ein Naturschutzgebiet.
Dann erreichen wir unser heutiges Ziel De Haan. Wir parken unsere Räder an der Tramstation und gehen durch die Straßen, die von Belle-Époque-Häusern gesäumt sind. Wir begegnen Albert Einstein, der hier einige Monate gelebt hat, bevor er über England in die USA emigrierte. Wir gehen bis zum Strand, sitzen auf der Strandpromenade und beobachten das bunte Treiben.
Wieder zurück im Velotel lassen wir den Tag bei einem Aperol Spritz ausklingen.
In der Nacht gab es ein Gewitter mit einem kräftigen Regenschauer. Beim Frühstück überlegen wir, heute Vormittag nach Brügge ins Zentrum zu fahren. Die Wettervorhersage sagt für den späten Vormittag Regen voraus, der aber wieder aufhören soll. Bei Regen fühlen wir uns in einer Stadt besser aufgehoben als bei Regen, auf dem Rad, auf dem platten Land.
Für den Nachmittag planen wir mit Komoot und der Knooppunt-App eine Tour mit dem Rad nach Damme und Sluis. So radeln wir in die Innenstadt von Brügge. Wir nehmen nicht den direkten Weg, sondern fahren über den ehemaligen Stadtwall. Der ist insgesamt über 6 Kilometer lang. Ich schätze, dass wir ca. die Hälfte des Walls abfahren. Wir kommen an zwei der verbliebenen Stadttore und an ein paar Windmühlen vorbei.
Wir wollen eigentlich zuerst in den Begijnenhof ‚Ten Wijngaarde‘, aber als wir am Minnewater sind, haben wir Schwierigkeiten, durch die Schülergruppen zu kommen. Darum fahren wir zum Grote Markt und parken unsere Räder im Fahrradparkhaus. Kaum sind wir draußen, beginnt es zu tröpfeln, so dass wir einige Geschäfte besuchen.
Auch Kirchen bieten Schutz vor Regen, so dass wir in die St. Salvator-Kathedrale und die Onze-Lieve-Vrouwen-Kerk gehen. Beide Kirchen sind sehr beeindruckend. Danach schauen wir den Begijnenhof an, da sich sowohl der Regen als auch die Schülergruppen verzogen haben. Anschließend trinken wir einen Cappuccino in einem sehr netten kleinen Tea-Room.
Jetzt regnet es nicht mehr und wir fahren die Dammer Vaart entlang nach Damme, einem schnuckeligen mittelalterlichen Städtchen. Hier ist die alte sternförmige Festungsstruktur, die wir entlang radeln, gut zu erkennen.
Der Ort scheint vor allem aus Kneipen und Restaurants zu bestehen. Beeindruckend ist die ungeheuer große Kirche, von der der Turm und der Chor mit einem Teil des Kirchenschiffs noch stehen. Dazwischen fehlt ein Stück, das 1725 abgebrochen werden musste.
Und weiter geht die Fahrt an der Dammer Vaart entlang bis nach Sluis in den Niederlanden. Sluis, ebenfalls ein altes Festungsstädtchen, ist eine positive Überraschung. Hier ist viel Betrieb. Neben Gaststätten aller Art gibt es auch Geschäfte. Wir laufen durch die Straßen und finden am Rathausplatz einen holländischen Whisky als Dankeschön für unseren Katzensitter.
Sehr witzig: Bei unserem Gang durch die Straßen sehen wir einen Storch, der auf der Straße herumspaziert. Eine vorbeikommende Frau füttert ihn mit Pommes. Das muss ein belgischer Storch sein!
Gegenüber der Windmühle finden wir ein nettes Restaurant. Dort setzen wir uns auf die Terrasse und essen zu Abend. Heute gibt es Fisch. Sehr lecker!
Zurück radeln wir ohne Umwege die ganze Zeit am Kanal entlang. Es ist einfach wunderschön. Der Kanal von beiden Seiten mit Pappeln gesäumt, auf den Wiesen schwarzweiße Kühe auf Butterblumen an Kopfweiden. So viel Schönheit!
Seit Tagen sagt der Wetterbericht für den späten Vormittag mal mehr, mal weniger Regen, mal mit, mal ohne Gewitter an. Seit gestern Abend wird vorhergesagt, dass es ab ca. 11 Uhr zu regnen beginnt. Deshalb haben wir schon gestern Abend eine direkte Route nach Roeselaere gesucht und stehen heute um 7 Uhr auf. Wir nehmen uns die Zeit ausgiebig zu frühstücken, checken aus und sitzen um 9:05 Uhr auf unseren Rädern. Ungefähr auf der Hälfte der Strecke beginnt es zu tröpfeln. Wir stellen uns kurz an einer Kapelle unter, ziehen die Regenüberzüge über Rucksack und Fahrradtaschen und fahren weiter. Zwischendurch gibt es einen stärkeren Regenguss, den wir aber unter ein paar Bäumen trocken überstehen. Um 11:30 Uhr erreichen wir so, ohne nennenswerten Regen abbekommen zu haben, das Parkhotel in Roeselaere. Wir haben Glück, bekommen schon unser Zimmer und das Gepäck ist auch schon da.
Jetzt ist es 12:45 Uhr, wir sitzen im Trockenen, trinken einen Tee bzw. Kaffee und hören dem Regen zu, der gegen die Scheiben klopft. Nachmittags, nachdem es zu regnen aufgehört hat, gehen wir ins Städtchen. Abendessen gibt es heute im Koers Café im Radrennmuseum Koers. Es ist sehr nett dort und das Essen sehr reichlich.
Abreisetag, Samstag, 21. Mai 2022
Wir frühstücken noch einmal gemütlich und reichhaltig. Jetzt lädt mein Mann die Räder aufs Auto.
Damit geht eine tolle Radreise durch Flandern, zur Küste und nach Brügge zu Ende. Die Organisation war hervorragend, die Hotels sehr nett, der Gepäcktransport hat reibungslos geklappt und die Räder waren immer gut gesichert untergestellt. Absolut empfehlenswert! Dazu kam das perfekte Radreisewetter. Diese Reise hinterlässt bei uns einen bleibenden Eindruck!